Sie zeigt sich völlig anders, unsere zweite Wind- bzw. Trockenzeit in Guna Yala, Panama. Das hat auch – aber nicht nur – mit dem Wetter zu tun, welches sich hier, wie im Rest der Welt, nur mehr von seiner verrückten Seite zeigen will. Auf einen starken El Niño folgte eine La Niña, nun wartet wieder ein El Niño. Zum Ausklang der ungewöhnlich kühlen Regenzeit hat der für diese Breiten „unmögliche“ Hurrikan Otto bereits bestätigt, dass Veränderung die einzige Konstante ist. Der in der Trockenzeit üblicherweise von feuchter Luft verhüllte Dschungel hat sich vom Boot aus oft kristallklar und deutlich abgezeichnet, wie in der Regenzeit. Nur ohne Regen. Dann wieder Starkwind und kräftige Wellen, mit Sperren für den lokalen Motorbootverkehr. Wir verlieren ein wenig die Orientierung.
Anmerkung: Wenige Stunden, nachdem die obigen Zeilen geschrieben wurden, zieht das erste Gewitter des Jahres auf. Füllt unsere halbleeren Tanks. Adios Windzeit, bienvenidos verfrühte Regenzeit…

Auch sozial hat sich diese Jahreshälfte vollkommen neu präsentiert. Letztes Jahr hatten wir gefühlt viel mehr Interaktionen mit Freunden von anderen Booten. Diesmal geben sich unsere Besucher aus Österreich, Deutschland, Schweiz und Kanada die Dinghyleine in die Hand. Wir kommen seit Dezember gerade noch zum Tanken und Aufräumen. Dennoch fühlen wir uns reich beschenkt. Sei es durch den Besuch von Gunthers unendlich positiv gestimmten Mutter, die sich mit 73 Jahren auf das Abenteuer „Leben auf der SY Muoza“ einlässt; sei es durch wunderbar inspirierte und inspirierende Mitsegler, die einem das Gefühl geben: Es will sich etwas von selbst zu einem großen Ganzen fügen. So sehr ergänzen sich ihre Geschichten, Interessen, Fähigkeiten und Wege. Wir werden uns weiter mit ihnen austauschen, so viel ist sicher.

Etwas schwieriger gestaltete sich die Interaktion mit einem Segler, der öffentlich vor Piraten in Guna Yala warnte (siehe auch letzter Blogbeitrag). Da unsere mediale Stellungnahme dem Skipper gar nicht schmeckte, weiteten sich dessen Vorwürfe in unsere Richtung aus: Wir würden die Piraten sogar bestechen, unterstützen…! Aua. Hätte Gunther die Anfragen doch bloß ignoriert und einfach die Klappe gehalten…

Solche Themen ermüden nicht nur den Geist, sondern offensichtlich auch den Körper – und sein Material: Am Lagerfeuer beißt Gunther genussvoll in einen Maiskolben – knacks – der obere Schneidezahn ist Geschichte. Tagelang keine Möglichkeit, zum Arzt zu kommen. Nun heisst es Mut zur Lücke. Zumindest bis man nach diversen Klebeversuchen, späteren Fahrten nach Panama und Colon, Provisorien, Zahnarzt- und Bankomatbesuchen wieder entspannt lächeln und knabbern kann. Erst jetzt fällt uns auf, wie viele Einheimische Zahnlücken haben und wie natürlich sie damit umgehen. Respekt.

Apropos Zähne – es folgt eine Schauergeschichte: Gerade wurde eine französische Seglerin beim Schwimmen von einem Krokodil attackiert, ganz in unserer Nähe. Sie hat hässliche Wunden am Oberschenkel, Oberarm und an der Wange davongetragen, wurde per Helikopter nach Panama City gebracht und dort behandelt. Soeben erfuhren wir, dass sie wohlauf ist. Es scheint, dass es sich bei dem Unfall – wie so oft bei Tierattacken – um ein Missverständnis gehandelt hat. Es ist Brutzeit und die Krokomama hat wohl ihr Gelege bewacht. Angeblich ist dies der erste bekannte derartige Vorfall in der Region seit langem. Möge es so bleiben. Seit heute ankert kein Boot mehr vor der Isla Verde.
Nachdem dies der zweite medizinische Notfall in kurzer Zeit war (ein Segler hat in den Windgenerator gefasst und dabei einen Teil seines Daumens verloren), überlegen wir, das Funkgeräte künftig auch vor Anker wieder vermehrt eingeschaltet zu lassen.

Während im Frühjar wieder Abschiede anstehen (einige Freunde gehen durch den Kanal in den Pazifik), bereiten wir uns auf das nächste großes Abenteuer mit ungewissem Ausgang vor. Es geht tief Richtung Osten: Nach zweieinhalb Jahren Abwesenheit werden wir das erste mal wieder den europäischen Kontinent betreten! Wie es der Zufall will, suchen unsere lieben Freunde in Vorarlberg genau für diese Zeit Haus- und Hundesitter, ebenso für ihr Maisäss. Perfekt, damit ist für Kost und Logis gesorgt. Ein paar Wochen werden wir auch in Tirol verbringen, doch wir wissen: Die Zeit ist begrenzt, es ist viel zu tun. Familien und Freunde besuchen, Papierkram erledigen – und dem Schicksal Gelegenheit geben, ein paar Weichen für die Zukunft zu stellen. Das wird viel Aufmerksamkeit erfordern. In wenigen Wochen kommt unsere SY Muoza aus dem Wasser, sie wird monatelang in einer Dschungellichtung auf uns warten. Irgendwie traurig, als ob wir eine enge Freundin zurücklassen würden.
Wir sind nervös: Wie wird es sich anfühlen, zu Hause zu Gast zu sein? Habt ihr euch daheim, haben wir uns unterwegs verändert? Werden wir uns fremd vorkommen? Wie sehr wird uns Muoza fehlen, das gemeinsame Leben auf dem Wasser? Wie wird es weitergehen? Wir werden es einfach ausprobieren – und weiter darüber berichten.
Sehr erfreut, ausführliche Kundschaft erhalten zu haben!
Warnung (zu späte -): Niemals vergessen, daß wir schon lange keine Naturwesen mehr sind und IMMER NUR in Weiches genußvoll beißen!
(Habe das auch erst lernen – kostenpflichtig – müssen!)
Viele Grüße, HR
Na, da hat die Krokomama ja erreicht, was sie wollte! Liebe Grüße aus Kolumbien von Regina und Matthias
Hallo ihr zwei,
wie immer vielen Dank für euren Bericht; ich fühle jedesmal mit, als ob ich dabei wär. !
Und.ich kann alles nachvollziehen, bin ich doch vor einem Monat nach Asien aufgebrochen um zu bleiben; auch ein Aufbruch ins ungewisse. Wohl ist alles gut geplant… nur, weiss das auch das Leben?
Bis dato läuft’s wie am Schnürchen. Das Einlassen auf die hiesige, schicksalsgefügte Mentalität tut sicher ein übriges dazu. Die Dinge liegen ganz anders als erwartet? “Mai pen rai“, kein Problem – abwarten, wird schon alles gut, nur rechtzeitig reagieren wenn es erforderlich wird. Und so ist es.
Und ja, die lieben Zähne… hatte auch gerade eine Lücke zu füllen, und Brücken verbinden ja bekanntlich. – dein “entspanntes“ Bild lässt das meine vorm inneren Auge wieder aufleben…
Danke nochmal für eure liebevollen Berichte, und alles gute für euer nächstes Abenteuer!
Liebe Grüße aus Thailand,
oliver