Windstille. Hitze. Sandfliegen finden ihren Weg zu uns aufs Boot. Der Passat hat sich bis nächste Weihnachten schlafen gelegt, um der Regenzeit Raum zu geben. Der Horizont wird zunehmend durch Blitze dekoriert, das Trinkwasser per Luftpost zu uns geliefert. Frei Haus, sehr praktisch. Die „Überwinterer“ sind in ihre Marinas gesegelt, nach Hause geflogen. Ruhe im Ankerfeld – und im Funk. Auch mal schön. Keine Welle regt sich um Isla Tortuga, San Blas.

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Sonnenaufgang: Flaute.
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Mittagszeit: Flaute.
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Sonnenuntergang: Kernschmelze.

Die Ventilatoren verquirlen die schwüle Luft, spielen mit dem Qualm der Mückenspiralen. Ab und zu springt ein Adlerrochen aus dem Meer, platscht flach aufs Wasser, will dadurch einen lästigen Pilotfisch loswerden. Perfekte Schnorchelzeit. Die Suppe, auf der wir treiben, ist locker 30 Grad warm, glasklar, jeder Liter voller Leben. Abkühlen? Man kann es zumindest versuchen. Die Ankernachbarin holt Gerlinde mit dem Kayak zum Schnorcheln ab, bringt selbstgemachte Zimtschnecken mit (dermaßen lecker, dass unsere Papillen Salsa tanzen). Von Bord aus hört man die Meeresschildkröten atmen – „chiiich“ – so ruhig ist es. Die Fernsicht hervorragend, 15 Meilen entfernte Urwaldriesen an Land zeichnen sich einzeln ab. Direkt hinter uns läuft eine 36 Fuß Najad auf Grund. Der Skipper wartet tatenlos ab, ob die Tide ihn wieder freigibt. Erst mal nicht. Tranquillo.

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Schrulliger Segler geht den Dingen auf den Grund. Buchstäblich. Zwei mal an zwei Tagen.

Wir hatten regelmäßig Besucher an Bord, in den vergangenen Monaten. Sehr nett, viel Arbeit. Die Aufmerksamkeit richten wir jetzt einmal wieder auf uns selbst, Freunde, unser Boot „Muoza“, unsere erste richtige Ruhezeit seit letztem August.
Die Tage sind durchzogen von einer gespannten Erwartungshaltung: Harald von der SY Regolarita II hat sich angekündigt! Monatelang hat er uns begleitet. Immer, wenn wir uns nachts über den hellen Stern am Himmel wunderten, fiel es uns ein: Das ist ja das Ankerlicht von Regolaritas hohem Mast, gleich neben uns. Also alles wie es sein und bleiben soll. Doch dann ist Harald nach Portugal gesegelt, plante gar, in dieser Gegend zu bleiben. Da dies für uns schwer zu verdauen war, haben wir ihn einfach wieder herbeigewünscht – und es hat funktioniert! In den nächsten Tagen sollte Regolaritas Ankerstern wieder neben uns schwoien. Einfach schnell mal über den Atlantik und durch die ganze Karibik gesegelt. Sind ja nur ein paar tausend Meilen. Will erst mal hierbleiben, dann vielleicht weiter nach Neuseeland. Inspirierend. Erinnert uns daran, dass wir mit Muoza überall hinsegeln können. Wenn wir wollen. Was wollen wir eigentlich?

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Sharda´s Zimtschnecken – zu lecker, um es noch auf´s Foto zu schaffen.
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Unsere Unterlage: Heiße Fischsuppe.

Unser Plan war prinzipiell, keinen Plan zu haben. Wir sind schon zu vielen Seglern begegnet, die dermaßen ihrem Plan hinterher segelten, dass sie kaum in der Lage waren, wahrzunehmen, wo sie sich eigentlich befanden. Verborgene Lektionen, Begegnungen und Belohnungen nicht mitnehmen konnten – geschweige denn, ihren schönen Plan mit gewonnenen Erfahrungen anreichern oder gar adaptieren. Warum ist man eigentlich losgefahren? Ach egal, keine Zeit für solche Gedanken. Schließlich muss man morgen weiter fahren; ist ja nicht auf Urlaub; hat ja Haus und Hof verkauft, um einen an sich selbst gestellten Auftrag zu erfüllen. „ Erfolgreich rund um die Welt“, soll im Lebenslauf stehen. Das Ziel ist das Ziel, der Weg eine Notwendigkeit.

Wir möchten die Aufmerksamkeit auf Wege, Menschen und Ideen legen, von denen wir vielleicht noch gar nichts wissen. Die Karibik, insbesondere San Blas, sollte dafür den Rahmen bilden. Unser primäres Ziel war, herauszufinden, ob uns das Leben auf einem Boot überhaupt möglich ist, Freude macht. Ob wir uns über Wasser halten können und wollen. Trotz aller Herausforderungen der letzten eineinhalb Jahre, trotz aller Lass-uns-den-Krempel-verkaufen-und-heimfahren-Ausbrüche, die letztlich nie ganz ernst gemeint waren, können wir sagen: Ja, es macht uns Freude. Immer mehr, sogar! Muoza war ein super Kauf, hält sich im Vergleich zu anderen Booten hervorragend, das können wir immer besser beurteilen. Die Liebe und das Verständnis wächst. Insofern ist die erste Phase unserer Reise abgeschlossen, es folgt Phase zwei, ein neues Ziel: Wir werden nach Wegen Ausschau halten, unser Abenteuer weiter fortzusetzen, unser zeitliches und finanzielles Budget zu strecken, über die ursprünglich angedachten zwei Jahre hinaus.

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Allen Herausforderungen zum Trotz: Was für ein Leben!

Für uns bedeutet diese Entscheidung, Mai/Juni auf dem Trockenen zu sitzen: Die „Panamarina“ wird trotz ihrer Lage im Dschungel und den Schwärmen von Chitras (Sandfliegen) der beste und günstigste Platz sein, Muoza an Land zu stellen. Neue Seeventile verbauen, Unterwasseranstrich erneuern, diverse Wartungen, Motor checken und pflegen. Zudem neu verproviantieren, Visa verlängern; dazu müssten wir vielleicht einen Ausflug nach Costa Rica machen. Die Liste ist ewig lang, eigentlich nicht auf einmal abzuarbeiten. Schließlich sollten wir aus moralischen, gesundheitlichen und finanziellen Gründen versuchen, die Marina schnell wieder hinter uns zu lassen, der letzte Werftaufenthalt in Martinique ist uns noch allzu plastisch in Erinnerung…

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Will hübsch und fit bleiben: Muoza freut sich auf Zuwendung in der Marina.

Die Idee ist also, unseren Fokus erst einmal auf unser Schiff zu legen, bevor wir uns für neue Wege entscheiden. Zu sehen, was für Investitionen notwendig sind. Was es benötigt, Muoza segelfertig für lange Strecken zu machen, also auch für potentielle Reisen in die Südsee. Nicht, dass wir von einem Plan sprechen wollen, wir möchten uns einfach nur die Möglichkeit offen halten. Bis 2017 werden wir wohl in und um Panamá bleiben. Vielleicht hängen wir ja noch ein weiteres Jahr in der Karibik an, bis 2018, und sehen dann weiter? Vielleicht ergibt sich zwischendurch eine ganz andere Gelegenheit? Für ein passendes Projekt in der Entwicklungszusammenarbeit würden wir schon mal pausieren. Einfach mal saisonal einen Job annehmen? Vielleicht auch zu Hause? Oder ganz etwas anderes? Liebe Blog-Leser, wenn ihr Ideen für uns habt, teilt sie mit uns, am besten gleich per Mail an info@zeitwaerts.at. Dafür werden wir weiterhin verlässlich unsere Erfahrungen mit euch teilen, euch zum virtuellen oder realen Mitleben einladen; wissen lassen, was sich in Panama noch für Türen – oder sogar Schleusen – öffnen werden. Wir sind selbst gespannt!

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Regolarita II und Muoza bald wieder vereint. Wir sind gespannt, was die Zukunft den beiden bringen wird…

 

Kommentare

  1. Steffen

    Hallo ihr zwei 🙂
    Wie immer ein Highlight, einen eurer Blogeinträge zu lesen, mit den Gedanken bei euch an Bord zu sein und in das Leben einzutauchen, das sich so viele wünschen aber nur Wenige trauen. Ich wünsche euch weiterhin viel Spaß mit und auf der Muoza und freue mich auf den nächsten Beitrag!!

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    • Gunther

      Steffen, wie schön, dass Tom dich mit zu uns an Bord gebracht hat. Eine gute Tat! 🙂

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  2. Und während die Muoza und ihre Besatzung friedlich dahingleitet, überschlagen sich in Österreich die Schlagzeilen um Servus TV und Mateschitz und sein L’etat c’est moi – Meisterstück. Verrücktes Land immer noch verrückter. Ja, wohin rücken wir eigentlich???? He ihr beiden! Genießt Welt, Wind und Wellen und habt viel Spaß dabei :o)

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    • Gunther

      Die Nachrichten schaffen es – irgendwie leider – auch zu uns. Gut, dass wir ein bisschen Abstand haben, wäre sonst schwer auszuhalten. Euch liebe Grüße nach Zirl, drück uns die ganze Runde! 🙂

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  3. Gregor

    Hallo wenn ihr mal Lust auf Stress habt in Panama Stadt meldet euch doch auf ein Bier oder zwei

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    • Gerlinde

      Danke Thomas! Ich hoffe auch dich tragen grad angenehme Winde durch dein Leben 🙂

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  4. Hallo Miteinander
    Wir haben eure Seite gerade gefunden und uns gefallen eure Berichte und Fotos sehr. Wir selber bereiten uns vor um von Roses, Empuriabrava Brava,Spanien über die Kap Verden in die Karibik zu segeln. Wir sind noch an letzten Vorbereitungen dran und starten im Dez. 2017 über die Kap Verden zu den ABC Inseln nach Panama. Dann Richtung Neuseeland, wo wir Einwandern wollen. Es wäre schön wieder von euch zu hören.
    Liebe Grüsse Andy und Eve

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    • Hallo ihr beiden,
      geniesst euren Aufbruch, ihr werdet sicher einmalige und bleibende Erfahrungen sammeln.
      Meldet euch einfach noch mal per Mail wenn ihr in Panama seid – oder auch schon vorher, jederzeit 🙂
      Mast- und Schotbruch
      Gunther & Gerlinde

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