„Wieviel kostet eure Segelreise? Ist das nicht viel zu teuer? Wie könnt ihr das finanzieren?“ In der Anfangsphase unseres Projektes war dies die Frage Nummer eins an uns. Häufig gefolgt von der Feststellung: „Schon toll, aber für mich wäre das natürlich nichts, weil….(bitte beliebigen Grund selbst einsetzen). Durch die Brille des eichhörnchenhaft existierenden Homo Ökonomicus betrachtet, durchaus nachvollziehbar.
Zunächst haben uns diese Gespräche verwirrt. Warum fragen die Leute nicht nach Motivation oder Erwartungen, nach Zielen, nach Visionen? Sind Abenteuer nur in Euros zu beziffern? Oft haben wir diese Statements bewusst stehen gelassen. Teilweise aus eigener Ratlosigkeit. Mittlerweile wissen wir mehr – und wollen ein paar Antworten nachliefern.

Der Kostenrahmen von Segelreisen richtet sich nach dem Füllstand des vorhandenen Sparschweinchens. Klar. Manche Segler starten mit sehr viel, andere fast ohne Geld. Die Meisten sind finanziell deutlich besser ausgestattet als wir; beziehen Pensionen, spekulieren an der Börse, haben ihr Unternehmen übergeben oder versilbert.
Unser finanzieller Rahmen ist vergleichsweise eng. Was die Menschen in der Heimat für einen schönen Neuwagen ausgeben, entspricht unserem Rahmen für eine mehrjährige Reise zu zweit, inklusive Schiff und Lebensunterhalt.
Zunächst lässt sich der zu bezahlende Preis auf ein paar Binsenweisheiten und einfache Beobachtungen reduzieren:
- Eine Blauwasserreise kostet garantiert mehr als du veranschlagt hast, wahrscheinlich alles was du besitzt. Ein alter Spruch. Dies geht über das Monetäre hinaus, das wissen wir jetzt.
- Wenn du irgendwo hingehst, musst du von deinem aktuellen Standort weggehen. Also von deiner Heimat, deiner Familie, deinen Freunden, deiner Wohnung, deiner Arbeit, deinem alten Leben. Dieser Preis gilt im Moment der Abreise, zahlbar sofort.
- Dein Budget, egal ob zu Hause oder unter Segeln, beträgt 24 Stunden am Tag. Keine Sekunde mehr. Dieses Budget kann dir von einem Tag auf den anderen ersatzlos gestrichen werden, also gibt acht. Deine Aufgabe: Ebenfalls 24 Stunden – mach was draus!
- Die Gleichung „Zeit ist Geld“ ist irreführend. Wenn, dann müsste es umgekehrt lauten. Geld ist Zeit. Du kannst zwar Geld mit deiner Lebenszeit erwerben. Dein Zeitbudget hingegen kannst du mit keinem Geld der Welt erweitern. Auch wenn dir dein Vermögensberater etwas anderes suggeriert, Sterbegarantien als Lebensversicherungen anbietet.
Schön und gut, aber wie sieht es denn nun aus, mit den Moneten, den Kröten, den Scheinchen? Hier eine konservative Aufstellung unsere jährlichen Kosten für 2 Personen, inklusive „Anlaufkosten“. Der Kaufpreis für unser Boot ist nicht berücksichtigt, da unsere Muoza sehr werthaltig ist und seit Jahrzehnten mit dem gleichen Preis gelistet wird. Wir gehen davon aus, sie verlustfrei wieder verkaufen zu können, Investitionen nicht eingerechnet.
- Startkosten (Reisevorbereitung, Anreise, Bootsanmeldung): ca. EUR 5.000.-
- Investitionen und Wartung Boot: ca. EUR 14.000.-
- Gebühren Ein-und Ausklarierung ca. EUR 2.000.-
- Treibstoff: ca. EUR 650.-
- Diverse Versicherungen: ca. EUR 1.700.-
- Leben (Essen, Trinken, Kleidung, Wohnen, Internet): ca. EUR 9500.-
Auffällig sind die laufenden Ausgaben für das Boot. Über vierzig Prozent der jährlichen Ausgaben gingen hierfür drauf. Beispiel: Das kleinste tropentaugliche Schlauchboot kostet rund 3000 Euro, ohne Motor! Der nächste Haul-out Termin im Mai wird noch mehr kosten. Wir bräuchten ein neues Groß, nochmal 2000 Euro. Und so weiter. Dennoch hoffen wir, die Investitionen im zweiten Jahr reduzieren zu können.
Ebenso interessant, dass man zu zweit die Lebenshaltungskosten gering halten kann, wenn man weder Platz noch Geld für unnötige Einkäufe zu Verfügung hat. Wir stellen fest, dass wir zu Hause monatlich rund 600 EUR pro Person brauchten, um überhaupt arbeiten zu gehen (Auto- und Fahrradkosten, Mittagessen, Kleidung, Reinigung, Kaffeegeld, Weiterbildung, u.v.m. – „Frustkäufe“ nicht eingerechnet). Davon können wir hier leben.

Darüber hinaus bezahlen wir auch noch in anderen Währungen, wie zum Beispiel:
- Ausrüstungsgegenstände verlassen uns im Monatsrhythmus. Vermeintliche Qualitätsprodukte von Canon, Petzl, Mammut, Clipper Wind u.a. geben trotz höchster Kaufpreise in kürzester Zeit den Geist auf. Ein Samsung Handy brennt beinahe ab. Support der sogenannten Markenfirmen: Null. Das ist nicht nur ärgerlich und teuer, sondern auch sicherheitsrelevant. Wir setzen vermehrt auf No-Name Produkte mit ebenbürtiger Qualität – oder verzichten ganz, wo wir können.
- Moral: Wir erleben zwar Höhen, aber auch Tiefen. Dieses Auf und Ab ist viel deutlicher spürbar als im Alltag daheim. Das Positive daran – man merkt, dass man mitten im Leben steht. Die tiefen Tiefs werden mit hohen Hochs belohnt.
- Krankheiten, Verletzungen, Wehwehchen gibt es auch unterwegs. Dennoch: Wir fühlen uns erholter, gesünder, haben abgenommen. Nach eineinhalb Jahren kann man aber noch keinen Langzeitvergleich machen.
- Auswirkungen auf das Zeitbudget wurden oben angesprochen. Wir sehen uns jedoch deutlich auf der Habenseite, segeln 24 Stunden am Tag zeitwärts!
- Beruf: Ist dies der gefürchtete Karriereknick? Wir werden sehen. Es haben sich viele neue Türen geöffnet. Wir schreiben mittlerweile für das Segelmagazin Yachtrevue, haben neue Kontakte geknüpft, Guerilla-Marketing betrieben, gebloggt, Spuren hinterlassen. Haben mehr Ideen als wir umsetzen können. Siehe Zeitbudget.
- Privatsphäre: Um uns über Wasser zu halten, teilen wir unser Leben immer wieder mit Mitseglern, Lesern dieses Blogs, der Yachtrevue, den Freunden unserer Facebook-Gruppe „Zeitwärts“. So wird unser Leben oft transparenter als uns lieb ist. Aber es hält uns auch auf Trab, zwingt uns zu neuen Gedanken, neuen Schritten, neuen Erfahrungen.
In den etwa eineinhalb Jahren auf See konnten wir einige Beobachtungen machen, die wir – wenn auch persönlich eingefärbt – an dieser Stelle teilen wollen.
- Kaufpreise für Blauwasserschiffe liegen zwischen einem Euro (kein Schreibfehler!) und zwei Millionen Euro, nach oben offen, natürlich. In der Praxis liegen sie derzeit wohl zwischen 15.000 EUR und 600.000 EUR. Die Ein-Euro-Schiffe ziehen meist einen großen Reparaturaufwand nach sich. Ebenso alles was groß und teuer ist. Aus unseren Beobachtungen heraus gibt es derzeit reisetaugliche Boote zwischen 15.000 und 50.000 Euro, mehr muss man nicht ausgeben. Vor allem in Rücksichtnahme auf den nächsten Punkt.
- Wartungskosten für Schiff: Der deutsche Segler Bobby Schenk schreibt, man muss jährlich mindestens zehn Prozent des Neupreises für Wartung rechnen. Da hat er wohl recht, insbesondere was das „mindestens“ betrifft. 10 Prozent wären unser Wunschziel…
- Lebenskosten: Wir begegnen immer wieder Menschen, die zu zweit mit 600 Euro monatlich auskommen – oder es sich vielleicht ein bisschen schönrechnen. Wir schaffen das nicht, brauchen deutlich mehr. Ansonsten müssten wir meist an Ort und Stelle bleiben, Grenzübertritte reduzieren, bei der Ernährung und der Schiffswartung sparen. Dafür sind wir nicht losgezogen.
- Die täglichen Ausgaben in niedrigpreisigen Ländern sind oft genauso hoch wie in hochpreisigen. Beispielsweise geht man in Kuba eher mal essen oder einkaufen als auf den teuren Cayman Islands. Und weil in den Cayman Islands die Bojen und das Internet gratis, die Einreise billig ist. Es gleicht sich alles irgendwie aus.
- Es scheint uns, dass Segler mit kleinen Booten entspannter wirken. Sie haben geringere Kosten, weniger Wartungsarbeit. Was nicht an Bord ist, kann nicht kaputt gehen, muss nicht nachgekauft und eingebaut werden. Kleine Boote bieten keinen Platz für Besucher. Umso mehr unverplante Zeit steht zur Verfügung. Kürzlich wurden wir von Freunden nach unserem Traumboot gefragt, wenn Geld keine Rolle spielen würde. Überrascht stellten wir fest, dass wir uns kein größeres Boot wünschen. Wenn, dann unsere Muoza – oder sogar ein kleineres Boot…

Bei all den Überlegungen zu den Kosten bleibt die Frage nach dem Nutzen, dem „Return on Investment“. Was bringt uns die Reise? Zunächst Lern- und Lebenserfahrungen, unabhängig von Euro-Kursen, Global Playern und Politik. Diese Währung bleibt werthaltig. Wir erleben einen Grad der Selbständigkeit und Eigenverantwortung in einer für uns neuen Dimension. Reise und Blog lösen erstaunliche Feedback-Wellen aus, wir erhalten Rückenwind aus Richtungen, die wir nicht erwartet hätten. Wo vor einem Jahr noch Nebelbänke waren, kommt Land in Sicht. Gelöste Probleme führen zu neuem Verständnis, geben uns das Gefühl „es überall schaffen zu können“. Dabei behalten wir unser Hauptziel im Auge: Weiter „zeitwärts“ reisen, unsere Lebenszeit mit Qualität anreichern. Was wir erlebt haben, haben wir erlebt. Das ist in trockenen Tüchern, besteht für immer.
Unsere größte Angst wäre, eines Tages auf das eigene Leben zurückzublicken und festzustellen: Ich wollte immer eine Abenteuerreise machen, neue Wege gehen, hätte die Möglichkeit und den Partner dazu gehabt. Und jetzt ist es zu spät. Daraus ergibt sich die neue Frage: Wie könnten wir es uns leisten, nicht auf große Fahrt zu gehen…?

Hi ihr zwei,
danke für diesen sehr interessanten Bericht! ihr schafft es jedesmal einem das Gefühl zu geben, mit euch ein Stück unterwegs zu sein und bringt gleichzeitig interessante Fakten auf den Tisch, immer von mehreren Gesichtspunkten aus betrachtet. Viel Spaß und viel Zeit weiterhin,
euer Oliver
Keine Ahnung wer ihr seid, habe euren Link auf der FB-Seite eines Freundes gesehen und verfolgt.
Ihr macht das wohl genau richtig, Abenteuerreise ist wohl der richtige Ausdruck, denn das Leben ist Abenteuer, nur für die meisten OHNE Reise.
Ich werde euch weiterverfolgen, gefällt mir was ihr da macht.
Vielleicht habe ich auch mal die Gelegenheit, auf hohe See zu gehen, wie ich das schon des öfteren tun wollte, dann könnten sich unsere Wege sogar kreuzen, denn an Zufälle glaube ich nicht.
Mast und Schotbruch!
Roderick
Danke Roderick! Warte nicht zu lange, neben uns ist gerade ein Ankerplatz frei!