Wenn erfahrene Segler diskutieren, ob Kuna Yala das schönste Segelrevier der Welt ist, kann man zumindest eines annehmen: Es ist ganz, ganz oben in der Liste. Ist es das vielzitierte Paradies? Die Voraussetzungen sind mehr als gegeben, der Rest hängt von einem selber ab. Der entscheidende Faktor: Man muss es sich mit eigenen Augen ansehen, einatmen, anhören, mit Haut und Haar erleben. Vorzugsweise als Mitreisender auf der SY Muoza: Liebe Urlauber, Abenteurer, Hängemattenschaukler, Kokosnusstrinker, Segler, Ethnologen, Geografen, Biologen, Zeitwärtsreisende, Rat- und Ruhesucher, Sonnenanbeter, Neuorientierer, Palmwedler, Kreative – man könnte es kaum besser erwischen als hier!

Das weite Gebiet Kuna Yala, auch bekannt als San Blas Archipel, liegt an der karibischen Küste Panamás. Bestehend aus teilweise unerforschtem Festland-Dschungel sowie 365 vorgelagerten Koralleninseln, davon über 40 mit pittoresken Strohhüttendörfern. Der Rest: Kokospalmen-Fototapeten-Idylle, umgeben von gesunden Riffen. Ringsum werden Einbäume gesegelt und gerudert. Die Region ist massiv vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen, bei jeder Neuvermessung müssen Inseln in der Karte umgefärbt werden: Aus Überwasser-Insel wird Unterwasser-Riff. Über krokodilbewohnte Flüsse gelangt man ans Festland, wo die Kuna ihr Obst und Gemüse anbauen. Das Festland ist tabu und voller Naturschätze, man darf es nur mit Erlaubnis und einem einheimischen Führer betreten.

Die Kuna sind das einzige, in seiner Gesamtheit überlebende Indiovolk des amerikanischen Kontinents. Die Gesellschaft ist matriarchal strukturiert, Land und Geld gehören den Frauen – die Männer ziehen ins Haus der Frau. Als Gunther einem Kuna-Verkäufer zwinkernd sagt, dass er beim Erwerb der Ware erst seine Finanzministerin um Erlaubnis fragen muss, erntet er kein verschwörerisches Lächeln, sondern ein ernstes Nicken. Ist ja selbstverständlich, dass Geldfragen von der Frau entschieden werden. Nach zehn Minuten kommt der Kuna zurück und fragt: „Was hat sie gesagt…?“

Jegliches Thema des dörflichen Zusammenlebens wird zwei mal täglich öffentlich im „Congreso“ besprochen und gemeinsam umgesetzt. Das Leben ist voller Magie; geboren, gelebt und gestorben wird vorwiegend in Hängematten, die überall zu sehen sind. Nach den Pygmäen sind die Kuna die zweitkleinsten Menschen auf diesem Planeten, aber sie sind wehrhaft, wissen was sie wollen – und auch was sie nicht wollen. Nicht umsonst haben Sie es erfolgreich geschafft, sich 1925 in einer Rebellion durchzusetzen und ihr Gebiet zu behaupten. US-Interessen mögen den Rest dazu beigetragen haben: Nachdem die USA Panama von Kolumbien wegputschten, um die Kontrolle über den Panamá-Kanal zu erhalten, gab es wohl gute militärische Gründe, die Grenze zu Kolumbien als unberührtes Indiogebiet ohne Straßen, ohne Infrastruktur, ohne Grenzübergang zu belassen. Zum Glück für Natur und Kultur.

Die Autonomie sorgt dafür, dass sich der Tourismus im Sinne der Kuna entwickelt. Schwierig genug, aber frei von Hotelburgen, Ferienfliegern, frei von Marinas. Der Kuna Yala-Kongress, bestehend aus sämtlichen Häuptlingen, beschließt die zukünftigen Wege, die beschritten werden sollen. Natürlich wird auch dieses Gebiet von der Globalisierung eingeholt: Besonders im touristisch mehr entwickelten Westen sieht man Strohhütten mit Solarpaneelen, Satellitenanlagen und jugendliche Kuna mit dumpf hypnotisiertem Blick auf moderne Wischtelefone. Google- und Apple-Sklaven, wie wir; mit schmerzhaft wachsendem Interesse am einzig wahren Gott unserer Zeit: Dem US-Dollar. Kirchen aller christlichen Couleur bemühen sich, die armen Heiden zum rechten Glauben zu bekehren. Nicht – oder vielleicht doch – wissend, dass eigentlich sie diejenigen sind, die von den Kuna lernen könnten. Und sollten. Doch zu kulturellen Fragen mehr in einem anderen Blogeintrag.

Wir schwoien mit unserer Muoza vor Anker im Windschatten von Yansalaup, einer Kokosinsel von knapp 150 Metern Durchmesser. Bewohnt von etwa zehn Kuna, die sich im 3-Monate-Rhytmus mit den anderen Eigentümerfamilien abwechseln. Erinnerungen an halbnomadische Wirtschaftsformen, wie zu Hause auf unseren Almen, werden wach. Die Inseln werden sauber gehalten und gepflegt. Haupteinkommen sind Kokosnüsse, die nach Kolumbien verkauft werden und Touristen, die in einfachen Holzhütten übernachten können. Immer, wenn wir die Insel betreten, gehen wir zuerst zur Kuna-Familie; begrüßen die stetig in der Hängematte nähende Oma und Inselherrin. Sie würdigt uns kaum eines Blickes. Doch ihre erwachsenen Kinder freuen sich immer über unseren Besuch, unterhalten sich mit uns und nehmen wohlwollend zur Kenntnis, dass wir ihnen jedesmal eine Kokosnuss abkaufen und höflich um Erlaubnis fragen, bevor wir eine Hängematte zwischen die Palmen hängen. Schließlich sind wir nur zu Gast.
Alle paar Tage geht ein Motorboot von der Insel Nalunega längsseits zur Muoza, versorgt uns mit den nötigsten Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Eier, Hühnerfleisch, Milch und so weiter. Auch Benzin, Diesel und Gas wird geliefert. Dieser Service hat natürlich seinen Preis. Stichwort US-Dollar.


Im Umkreis von zwei Meilen sieht man ein weiteres Dutzend Inseln dieser Art, teils bewohnt, teils nicht. Wir liegen hinter dem Außenriff Kuna Yalas, wo weniger Regen fällt und sich die karibischen Wellen brechen. Die Anfahrt zum Ankerplatz muss exakt durchgeführt werden. Angeblich stranden weltweit nirgends mehr Segelboote auf Riffen als hier, was zahlreiche Wracks bestätigen. Hat man es geschafft, wird man reich belohnt: Das Wasser ist ruhig, ringsum laden traumhafte, gesunde Riffe zum Schnorcheln ein. Vorgestern umschwamm ein mächtig großer Delfin die Muoza. Hier werden oft Delfinbabies zur Welt gebracht; gebärende Mütter werden von „Hebammendelfinen“ begleitet und unterstützt. Die letzten Schnorchelausflüge wurden gekrönt durch Sichtungen von friedlichen, aber großen Riff-und Ammenhaien, Adlerrochen, Schildkröten, verschiedensten Korallen und kunterbunten Riffbewohnern aller Art. Flaschentauchen und Harpunieren ist untersagt – gut so.

Vor zwei Jahren waren wir zum ersten mal in Kuna Yala, durch „Zufall“ – der Traum, auf große Fahrt zu gehen, wurde hier zu einer konkreten Vision, die nun realisiert ist. Deshalb wollen wir zumindest bis zum Frühjahr bleiben, anderen Menschen die Möglichkeit bieten, mit uns mitzusegeln. Erfahrungen teilen, sich gemeinsam – also doppelt – freuen. In echt. Blog und Facebook genügt bei weitem nicht!
Verblüffend, wie einfach man hierherkommen kann. Warum das keiner weiß? Weil die großen Reiseveranstalter mit den Kunas keine Geschäfte machen können! Dass es so etwas noch gibt, ist wunderbar! Von Europa starten laufend günstige Flüge zum Verkehrsknoten Panama City. Von dort aus einfach per Sammeltaxi aus der futuristischen Skyline ins Takatuka-Land.

Liebe Urlauber, Abenteurer, Hängemattenschaukler, Kokosnusstrinker, Segler, Ethnologen, Geografen, Biologen, Zeitwärtsreisende, Rat- und Ruhesucher, Sonnenanbeter, Palmwedler, Neuorientierer, Kreative: Besser wird´s nicht, einfacher geht´s beim besten Willen nicht – worauf wartet ihr eigentlich?
Absolut tolle Fotos, da macht das mit verfolgen so richtig Spaß
Vielen Dank – da macht das bloggen gleich noch mehr Freude! 🙂
Dort möchte ich auch bis zum Frühjahr sein! Freuemich auf weitere Blogs !!!
Servus, Gerlinde und Gunther,
Toller Blog und tolle Reise! Wir kommen auch demnächst nach Kuna Yala. noch sind wir in Brasilien. Ich freu mich auch immer, andere österreichische Segler zu finden. Allerdings segle ich unter deutscher Flagge, weil das Schiff meinem Mann gehört. Freu mich darauf, mehr von euch zu lesen! Danke
Liebe Grüße
Steffi
Liebe Steffi, danke für dein positives Feedback! Lasst doch bitte was von euch hören, wenn ihr hierher unterwegs seid. Eine Begegnung mit euch würde uns freuen!
Ihr zwei Tollen,
danke für den Respekt, den ihr den Menschen entgegen bringt! Gerade Vertreter aus unseren Breiten sind da oft gaaaaaaaanz anders am Weg…
Ganz viele wunderschöne Eindrücke auch weiterhin!
Oliver
Gracias, amigo! Ja, diese Vertreter aus unseren Breiten gibt es hier leider auch zuhauf. Lassen nichts zurück als Müll und schlechte Erinnerungen – und beschweren sich dann noch. Deshalb machen wir uns auf die Suche nach den anderen. Und die sind zum Glück ebenso vertreten. Vielleicht mal ein eigenes Blogthema, weil uns das sehr beschäftigt.
Ich bin über den Bericht von Matthias Christler in der heutigen Tiroler Tageszeitung auf Euren Blog aufmerksam geworden. Ihr macht das, wovon ich immer geträumt habe, mich aber nie entschließen konnte. Großartig! Weiterhin gute Reise und viel Glück!
Lieber Hermann, vielen Dank für deine Nachricht! Wer weiß? Vielleicht geht ja doch noch was in die Richtung deines Traumes…?