Hinter uns: Jamaika.Vor uns: Kuba. Über uns: Ein Vollmond, der aus den Wolken bricht wie in einem Werwolffilm, unterbrochen von einer überraschenden, totalen Mondfinsternis! In unseren Köpfen: Bilder von Kuba, wie es in den heimischen Medien dargestellt wird. Inwiefern stimmen sie mit unserer Realität überein?

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Mit Regolarita II unterwegs nach Cuba

Was für ein Ankerplatz. Cabo Cruz, das südliche Kap Kubas. So ausgesetzt, würde man ans Verweilen nicht einmal denken. Ein vorgelagertes Riff bietet jedoch erstaunlichen Schutz. Überraschend auch die hervorragende Markierung der Einfahrt mit einem klassischen Leuchtturm und funktionierenden Leuchtbojen. In den kapitalistisch orientierten Karibikinseln ist das eine Rarität. Also: Runter mit dem Anker, in der Hoffnung, keine Probleme mit den Behörden zu bekommen – denn wir können hier nicht offiziell einklarieren und reisen somit illegal ein. Die ersten Besucher sind schwimmende Kubaner, die uns Langusten und Obst verkaufen wollen. Da wir weder kubanisches Geld noch etwas zum Tauschen haben, bieten wir den Einheimischen einen Drink an: Einen „Cuba Libre“, den sie lachend im Wasser genießen. Das Obst und Gemüse lassen sie uns einfach da, als Geschenk. Die Küstenwache kommt erst am nächsten Morgen, mit Suchhund und freundlichen Gesten. Kein Wort von Trinkgeld oder übertriebener Bürokratie. Sie zeigen sich geradezu enttäuscht, dass wir bald weiterfahren wollen: „Wollt ihr nicht doch lieber erst morgen oder übermorgen lossegeln…?“

Jardines de la Reina, die „Gärten der Königin“: Ein 100 Seemeilen langes, unbewohntes Archipel, Nationalpark, hunderte Lagunen in seichten Gewässern. Eine Stille wie hier kann man wohl nur in der Wüste finden. Sie bringt den kleinsten Tinnitus ans Licht, man scheint das sirrende Betriebsgeräusch des eigenen Gehirns zu vernehmen. Abendliche Höhepunkte sind Harald´s Einladungen, seine selbst gefangenen Fische zu verspeisen. Göttlich. Merke: Wenn möglich, halte dich stets in der Nähe von Seglern auf, die hervorragend fischen und kochen!

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Unser Fuhrpark in den Jardines de la Reina

Die letzte gemeinsame Etappe mit Harald und seiner „Regolarita II“ geht nach Cienfuegos, wo wir offiziell einreisen können. Auch hier: Die beste Bojenmarkierung die man sich wünschen kann, freundliche Offizielle, keine Bestechungswünsche. Entgegen aller Informationen kann man ohne weiteres auch lokale Pesos wechseln und am Markt gegen günstiges Obst und Gemüse handeln, in Restaurants für Einheimische essen gehen oder Dienstleistungen wie Friseurbesuche in Anspruch nehmen. Ein weiteres Vorurteil wird entkräftet: Der allgemeine Musikgeschmack der Kubaner ist oft schlechter als erwartet. Schnulzen wummern durch die nächtliche Marina, Buena Vista Social Club gibt es nur für die Touristen.

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Einfahrt nach Cienfuegos
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Marina Cienfuegos
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Französischer Kolonialstil, Cienfuegos

Wir stechen Richtung Trinidad in See, wollen zwei Wochen mit dem lang ersehnten Besuch von Freunden und Familie in den vorgelagerten Cayos verbringen – und werden von kräftigem Wind genau auf die Nase begrüßt. Zu allem Überfluss macht unser Motor Mucken. Überhitzung. Sehr problematisch. Umdrehen oder weitermotoren? Mit Schneeeckentempo kämpfen wir uns nach Trinidad, Meile für Meile. Nervenaufreibend. So schaffen wir es zumindest bis zu den vorgelagerten Mangroveninseln, ankern dort im Dunkeln. Tags darauf navigieren wir durch die gefährlich seichte Einfahrt in die Marina. „El Flaco“ reinigt den Wärmetauscher, die Kühlung funktioniert wieder tadellos. Der junge Mechaniker will keinen Preis für seine zweitägige Arbeit nennen. Wir sind im Dilemma, fühlen uns schäbig, für die Bezahlung von lediglich umgerechnet 35 Euro plus aufladbarer Taschenlampe. Gleichzeitig wissen wir, daß dies für einen einfachen Kubaner sehr viel Geld ist – wie Flacos´ leuchtende Augen bestätigen.

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Trinidad Zentrum
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Trinidad
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Trinidad – wo sind die Autos?

Wieder in Cienfuegos, steht der erste Landurlaub an. Nach sieben Monaten schlafen wir zum ersten Mal in einem Bett auf festem Boden. Um uns herum die herrlich grüne Felslandschaft von Viñales. Danach ein paar Tage in Havanna, der verfallenden Stadt, in die wir uns sofort verlieben. Noch wirkt alles authentisch, so stellt man sich Fidel´s Stadt vor. Laut, dreckig, liebenswert, überall nagt der Zeitzahn. Es ist zu befürchten, dass internationale Investoren schon Schlange stehen, um die Bewohner zu delogieren und ein Disneyland aus der atemberaubenden Altstadt zu machen. Wer Lust auf eine Zeitreise hat, sehen will, wie eine Millionenstadt aussieht, in der so wenige Autos fahren, dass man auf vielen Straßen spazieren und Fußball spielen kann; wer sich erinnern möchte, wie es ist, mit Menschen an der Haltestelle zu sprechen, statt seine Zeit mit dem Wischtelefon zu vertreiben, dem sei diese Stadt, dieses Land ans Herz gelegt.

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Viñales
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Kubanischer Campesino und Angola-Veteran
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Ednlich wieder Radfahren
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Skipper auf Landurlaub
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Fischer am Malecón, Havanna
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Habana Vieja

Man sieht das touristische Treiben – und wie es Land und Leute verändert. Ein ausgebildeter Kubaner verdient umgerechnet 20 Euro pro Monat. Mit Touristen verdient man das in einem Tag. Das wiederum wirkt auf die ganze Gesellschaft: Ärzte und Juristen fahren lieber Taxi, vermieten Zimmer oder Fahrräder. Zumindst kommen wir so in den Genuß von Taxifahrern, Köchen und Kellnern mit Studienabschlüssen, sowie Sprach-, Geografie- und Geschichtskenntnissen, die zu interessanten Dialogen führen. Die Insel geht spürbar neuen Zeiten entgegen – was zu entsprechendem Zeitenstechen führt. Als vom Tourismus geplagte Tiroler tragen wir gemischte Gefühle in uns: Wir sind nicht nur außenstehende Beobachter, sondern als Besucher Teil des Problems – Schrödinger´s Katze lässt grüßen.

Dennoch: Erst wenn man das Land erlebt, kann man seine Leistung ermessen. Während die meisten Regierungen Zentral- und Südamerikas vom Westen gestürzt und verschlimmert wurden, bringt es dieses kleine Land fertig, jahrzehntelangen Putschversuchen und Embargos zu widerstehen – und dabei eine friedliche Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Das ist wie Asterix´ gallisches Dorf, nur in echt. Insgesamt sind wir tief beeindruckt von Kuba und seiner Revolution, von der man so viel gehört und so wenig verstanden hat. Es bleiben viele Fragen. Man kann diesem Land nur wünschen, dass es die passenden Antworten findet und dabei seine charmante Stärke, seine charaktervollen Menschen, seine unberührten Inseln bewahrt.

Wir bereiten die „Muoza“ auf den großen Schlag in den Süden vor. Über eine Woche andauerndes Rollen wartet auf Mensch und Material. Rund 800 Seemeilen oder 1500 Kilometer. Bald werden wir gemeinsam mit der „Inti“ in See stechen, auf unser lang ersehntes Ziel zuhalten: Panamá – und sein autonomes Indio-Archipel Guna Yala, besser bekannt als San Blas-Inseln.
So weit der Plan. Bereits wenige Meilen nach dem Auslaufen hat Inti massive Probleme mit der bereits angeschlagenen Stromversorgung: Die Starterbatterie kocht. Panamá wird unerreichbar, wir beschließen unterwegs, der kubanischen Küste zu folgen, von dort nach Cayman Brac, wo es Batterien geben soll – nein – muss! Begleitet von Gewittern quälen wir uns in südöstliche Richtung, kreuzen mühsam nach Cayo Bretón. Ein Tag Pause, dann weiter, durch nie enden wollende Gewitter und Squalls, bis in die Morgenstunden, wo zwischen den Blitzen das Leuchtfeuer von Cayman Brac, der östlichsten der Cayman Sisters, sichtbar wird….

Kommentare

  1. Euer Bericht über Kuba gefällt mir. Bin mit Bright Star zur Zeit in Porto Belo. Danach geht es wieder zu den Kunas nach San Blas zurück. Liebe Grüße Franz

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    • Gunther

      Franz! Du in Portobelo? Hoffentlich sehen wir dich bald, sind gerade in Porvenir! 🙂

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