„Congratulations, you passed the ARC finish line“, rauscht das Funkgerät wenig enthusiastisch, als die Boote der Tranatlantik Regatta in Saint Lucia eintreffen. Wir ankern hinter der Ziellinie und wundern uns über die Nüchternheit der Veranstalter und die verhaltene Freude der Ankommenden. Nur wenige jauchzen ob der Erfüllung ihres transatlantischen Segeltraumes

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ARC Zieleinlauf

.Die Rodney Bay Marina ist ganz auf die Atlantic Rally for Cruisers (ARC) eingestellt. Stände, Plakate, Veranstaltungen – aber wenig Stimmung. Crews bleiben im Café tischweise unter sich, die Nasen in Tablet-PCs versenkt. Hauptthema, wenn über den Tischrand hinaus gesprochen wird: „Do you know the Internet password?“ Lokale Bands geben ihr Bestes, doch die Europäer interessieren sich in erster Linie für sich selbst – und das nächste Bier. Betrunkene Engländer, diskutiernde Deutsche, separierte Italiener. Das soll das verheißungsvolle Ziel der legendären Regatta sein? Wir gewinnen den Eindruck, dass es sich um ein reines Geschäft handelt.

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Jack Sparrows touristische Erben
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Südlich von Rodney Bay

Ein paar hundert Meter weiter, jeden Freitag: Gros Islet und sein berühmtes Straßenfest. Eine Zwischenwelt, die trotz käsefarbenen Touristengruppen karibisch anmutet. Aromatische Rauchschwaden ziehen von den Grillständen über die Straße, die Lautsprecher wummern durch die Nacht, bis zu unserem Ankerplatz. Je später der abend, desto mehr Einheimische, desto authentischer das Flair.

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German Bar, Gros Islet

Die Zeit verfliegt, wir bleiben länger in Saint Lucia als gedacht. Das liegt an wohltuenden Begegnungen mit Auswanderern wie Michael aus Wien, Seglern wie Holger von der SY Panthera und Gästen wie dem ewig gut gelaunten, 77-jährigen Franz aus Innsbruck.
Zum anderen liegt es am karibischen Gesicht, wenn man die Marina hinter sich lässt. Ein paar hundert Meter weiterspaziert, oder in eines der billigen Sammeltaxis gestiegen, schon ist man weit und breit der einzige Weiße. Man kann es genießen, wenn man auf Menschen zugeht, sich mit ihnen unterhält, an ihrem Verkaufsstand eine Kokosnuss kauft, sich Zeit nimmt, interessiert ist. Ehrliche Wertschätzung wird als solche erkannt und erwidert. Das bringt einen weiter als so mancher East Carribean Dollar.

Es fällt auf, wie hilfsbereit die Einheimischen sind. Im Straßenverkehr wird für Fußgänger und Abbieger stehen geblieben, man hilft sich beim Einsteigen in den Bus oder beim Hantieren mit Gepäck, macht Unbekannten Komplimente für schöne Kleider oder Frisuren. Viele kennen sich, winken, hupen sich an. Als Busfahrer bräuchte man dafür schon fast eine dritte Hand. Wir sind eben auf einer Insel – man begegnet sich immer wieder.

Auffällige Verbotsschilder lassen uns immer wieder schmunzeln: Vielleicht umreißen Verbote die Gesellschaft und ihr Zusammenleben oft genauer als andere Verhaltensbeschreibungen?

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Castries, Markthalle
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Castries, Duty Free
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Castries, Markthalle
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Rodney Bay, Strandbar

Zurück bleibt ein gespaltenes Bild für eine Insel, auf der wir uns wohl gefühlt haben. Hier westlicher Standard, Golfplätze, Traumvillen, Shopping-Malls, Touristen-Kulissen und Supermärkte mit Preisen, die mindestens ein Drittel höher liegen als zu Hause. Dort karibische Holzhütten mit Huckleberry-Finn-Flair, mit Menschen, die von wenig Geld auf touristischem Preisniveau überleben müssen und dennoch freundlich bleiben. Fast wie zu Hause in Tirol.

Kommentare

  1. Herminio Redondo García

    Erste große Überraschung im Neuen Jahr!
    Ich muß sie erst l a n g s a m durchgehen, dann kommentiere ich.
    Frohes 2015 !

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  2. Ja das ist unser St.Lucia so wie es ist.
    Von jemanden Berichtet der sich alles ansieht aufmerksam ist und vieles erkennt!
    Gut beobachtet „Gefällt mir“ nur so weitet G&G.
    Prosit 2015!
    Der Wiener

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    • Gunther

      Merci! Ein Lob aus solch berufenem Mund – dem Saint Lucia Experten! Danke auch für die gute Zeit mit dir, war uns eine echte Freude!
      Auch dir ein gutes 2015!

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  3. Hallo, Gunther und unbekannterweise Gerlinde, alle Achtung!!! Volle Bewunderung für jeden einzelnen Schritt und für Euren riesigen Mut als gebürtigen Älpler auf hohe See zu gehen. ich wünsch Euch von ganzem Herzen Glück und Gesundheit und Durchhalten egal was kommt. Dem Leben immer wieder eine Chance geben.

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