Tage auf der Werft sind der reine Horror. Das sagen sogar die sehr erfahrenen Segler. Wir erleben dreckige Sanitäranlagen, drückende Hitze ohne jeden Windhauch, Moskitos, Maschinenlärm, Staub, Chemikalien, gestammelte Französisch-Brocken, hervorgekramt nach 20 Jahre Vergessen. Schleifstaub auf Haut, in Augen, in Lungen. Dadurch tagelang rosarote Spucke, blaue Haut, rote Augen und entzündlichen Ausschlag am ganzen Körper. Unser elektronisches I-Ging Orakel prophezeit „Das Warten: Warten, warten, warten.“  Wir richten uns darauf ein, uns in Geduld üben zu müssen. Zurecht.

Gerlindes Mittelfuß beginnt, stark zu schmerzen. Was tun? Ist es Gicht? Ein Entzündungsherd? Antibiotika nehmen? Mittlerweile schmerzen alle Gelenke. Die Ungewissheit drückt auf die Moral. Am nächsten Vormittag weicht sie der Gewissheit: Gerlinde hat prompt die sich rasch verbreitende Tropenkrankheit Chikungunya bekommen. Übertragen durch Mückenstiche. Chikungunya bedeutet übersetzt „gebeugter Mann“, da der Schmerz den stärksten Mann in ein Häuflein Elend verwandelt. Man kann froh sein, wenn man es noch alleine aufs Klo schafft. Gerlinde ist wahnsinnig tapfer, nach einem Tag verfügen wir über Paracetamol. Das lindert die Schmerzen.

Gunther muss sich nun um Schiff, Gerlinde, Ernährung und sich selber kümmern. Ohne die väterliche Unterstützung von Kaktus und Keule hätten wir es moralisch kaum geschafft. Keule sagt immer: „Schaut zu, dass ihr aufs Wasser kommt, egal wie, nur schnell!“ Wie recht er hat! Wir vergeben Arbeiten an die Werft, sonst kommen wir hier nie mehr weg. Eine teure, aber gute Lösung. Wenn die Moral zerstört ist, haben wir auch nichts davon, wenn wir uns ein bisschen Geld gespart haben.

Immerhin sagen viele Arbeiter und Bootsbesitzer, die unseres kleinen Bootes und der Bauart ansichtig werden, spontan und anerkennend: „This is a strong boat! Stronger than mine.“ Wenn sie auf den zweiten Blick bemerken, dass es sich um eine Hallberg-Rassy handelt, sprechen sie in noch höheren Tönen. Ein kleiner Trost in schwierigen Tagen.

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